Die deutsche Mannschaft hat nach 15 Siegen und einem Unentschieden erstmals seit 1954 gegen Belgien verloren. Die Standortbestimmung gegen den Weltranglisten-Vierten fiel ernüchternd aus. Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Oliver Hartmann
Kommentar
An plakativen Botschaften mangelt es bei Heimspielen der Nationalmannschaft nie, auch diesmal nicht im Kölner Stadion. "Wille führt zum Erfolg. Auf geht’s zum neuen Sommermärchen", stand in großen Lettern auf der Tribüne, als Kapitän Joshua Kimmich seine Kollegen aufs Feld führte. Am Willen lag es allerdings ganz gewiss nicht, dass der Erfolg gegen Belgien ausblieb und die deutsche Mannschaft nach fast fünf Jahren mit 13 Testspielen ohne Niederlage erstmals wieder einen freundschaftlichen Vergleich verlor.
Immerhin Moral und Leidenschaft stimmten bei dieser 2:3-Niederlage, das waren die wenigen positiven Erkenntnisse dieses denkwürdigen Abends. Sportlich aber bekam die deutsche Mannschaft drei Tage nach dem Pflichtsieg gegen Peru bei der ersten wirklichen Standortbestimmung des Jahres von den Belgiern in den ersten 30 Minuten schonungslos ihre Grenzen aufgezeigt. Da hätte die Partie bereits entschieden sein können, ja müssen.
Die Defensive bleibt die größte Baustelle
Die erhoffte Aufbruchstimmung konnte diese Darbietung deshalb nicht erzeugen, sie stimmt eher in vielerlei Hinsicht nachdenklich. Und sie machte vornehmlich jene Spieler zu Gewinnern, auf die Flick zu Experimentierzwecken verzichtete (allen voran Rüdiger, Süle, Gündogan) oder verletzungsbedingt verzichten musste (Schlotterbeck, Havertz). Die in der Innenverteidigung völlig überforderten Matthias Ginter und Thilo Kehrer konnten sich nicht als Alternativen für die Platzhirsche empfehlen, auch die Außenverteidiger Marius Wolf und David Raum präsentierten sich in der Abwehrarbeit mit teilweise krassen Defiziten. Die Defensive, schon bei der WM der große Schwachpunkt, bleibt Flicks größte Baustelle - und das betrifft weit mehr als nur die Viererkette.
Mit Can kam Stabilität und Balance
Von den in Köln eingesetzten Spielern durfte sich allein Emre Can als persönlicher Gewinner fühlen. Der zur 32. Minute eingewechselte Dortmunder, schon gegen Peru eine der auffälligen Erscheinungen, hatte mit seiner Körperlichkeit und seiner Zweikampfstärke wesentlichen Anteil, dass die zuvor völlig zusammenhanglose und viel zu passive deutsche Mannschaft Stabilität und Balance fand. Dem einmal mehr im Nationaltrikot enttäuschenden Leon Goretzka war dies nicht gelungen, ebenso wenig seinem Münchner Teamkollegen Joshua Kimmich.
Flick muss eine EM-Stammelf bilden
Belgiens neuer Trainer Domenico Tedesco hat mit den Auftaktsiegen in Schweden und Deutschland im Nachbarland nach dem frühen WM-Aus in Katar bereits für jenen Enthusiasmus gesorgt, den Flick hierzulande auch gerne ausgelöst hätte. Immerhin schaffte es die Mannschaft dank der Leistungssteigerung und des nimmermüden Aufbäumens, dass die Grundstimmung des Publikums bemerkenswert aufmunternd und unterstützend blieb und die Fans den von Flick eingeschlagenen Weg offenbar goutieren. Allerdings erwarten die Fans im Juni, wenn es gegen die Ukraine, Polen und einen noch nicht bestimmten dritten Gegner geht, Fortschritte. Dann sollten nicht mehr Experimente, sondern das Bilden einer EM-Stammelf im Vordergrund stehen.
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