EISHOCKEY - NATIONALSPIELER MORITZ MüLLER: »DAS KäMPFEN GEHöRT DAZU«

Moritz Müller ist Kapitän der Kölner Haie und der Deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Mit Karl, 12, und Timothé, 13, sprach er über die Weltmeisterschaft in Prag und Schlägereien auf dem Eis.

Dein SPIEGEL: Auf dem Eis geht es oft hart zur Sache. Was waren deine schlimmsten Verletzungen?

Müller: Ich habe mal einen Puck ins Gesicht bekommen und mir dadurch den Kiefer gebrochen. Außerdem habe ich mir im Ellenbogen die Muskeln und das Innenband abgerissen. Ach, und im Knie hatte ich mal einen Bandabriss mit Knorpelabsprung.

Dein SPIEGEL: Findest du, dass Eishockey ein brutaler Sport ist?

Müller: Nein, das finde ich nicht. Eishockey ist ein harter Sport, aber nicht brutal. Brutalität bedeutet für mich, dass jemand einer Sache ausgesetzt wird, mit der er nicht einverstanden ist. Beim Eishockey weiß aber jeder, worauf er sich eingelassen hat. Außerdem gibt es auf dem Eis viele strenge Regeln. Dort kann nicht jeder machen, was er möchte.

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Dein SPIEGEL: Manchmal kommt es bei Spielen zu Prügeleien. In anderen Sportarten werden Profis wochenlang gesperrt, wenn sie hand­greiflich werden. Warum wird das im Eis­hockey entspannter gesehen?

Müller: Weil das Kämpfen ein Teil der Eis­hockey-Kultur ist, es gehört zu diesem Sport dazu. Manche Menschen wollen, dass sich das ändert. Ich selbst habe aber kein Problem damit. Denn auch beim Kämpfen gilt, dass sich niemand schlagen muss, der nicht will. Außerdem gibt es einen Ehrenkodex. Zum Beispiel endet ein Kampf sofort, wenn ein Spieler zu Boden geht oder wenn die Schiedsrichter dazwischengehen.

Dein SPIEGEL: Wie bist du zum Eishockey gekommen?

Müller: Durch meinen Vater. Er hat mit dem Eishockeyspielen erst als Erwachsener angefangen, war aber sofort von dem Sport begeistert. Das hat er auf mich übertragen. Als ich etwa fünf Jahre alt war, habe ich seinetwegen die ersten Schritte auf dem Eis gemacht.

Dein SPIEGEL: Und wie bist du Profi geworden?

Müller: Mein Weg zum Profi war recht ungewöhnlich. Ich galt nie als großes Eishockey-Talent, niemand hat mir eine Sportler-Karriere vorausgesagt. Trotzdem bin ich mit 15 Jahren von zu Hause ausgezogen, um bei den Kölner Haien in der Jugend zu spielen. Ich habe damals alles auf eine Karte gesetzt, weil ich wusste, dass ich es in den Profikader schaffen kann.

Dein SPIEGEL: Bei den Haien spielst du mittlerweile seit 20 Jahren. Wie kommt es, dass du nie den Verein gewechselt hast?

Müller: Darüber habe ich immer mal wieder nachgedacht, aber am Ende konnte ich mich nie zu einem Wechsel durchringen. Hier in Köln fühle ich mich heimisch. Meine Familie lebt hier, die Stadt ist mein Zuhause. Außerdem sind die Haie ein wirklich toller Klub.

Dein SPIEGEL: Du spielst in der Abwehr. Was macht einen guten Verteidiger aus?

Müller: In erster Linie die Fähigkeit, Tore zu verhindern. Darin bin ich auch ganz gut, denke ich. Beim Eishockey gibt es aber auch Verteidiger, die zusätzlich zur Abwehrarbeit so oft wie möglich vorne mitspielen wollen. Bei mir ist das anders: Ich spiele am liebsten hinten.

Dein SPIEGEL: Seit fast zehn Jahren bist du Kapitän der Nationalmannschaft. Bei der WM im vergangenen Jahr wurdet ihr Zweiter. Wie hast du diesen Erfolg erlebt?

Müller: Das war eines der Highlights meiner Karriere. Ich werde immer gern an dieses Turnier zurückdenken. Auch weil es gezeigt hat, wie toll sich die Nationalmannschaft in den letzten Jahren entwickelt hat.

Dein SPIEGEL: Kann Deutschland dieses Jahr sogar Weltmeister werden?

Müller: Vor zehn Jahren hätte ich darauf geantwortet, dass unsere Chance auf den Titel sehr gering ist. Heute stehen wir schon viel besser da, zu den Favoriten gehören wir aber trotzdem nicht. Da gibt es andere Länder, die mehr Top-Spieler in ihrem Kader haben.

Dein SPIEGEL: Was sind dann die Ziele für die WM?

Müller: Ein Finaleinzug lässt sich nicht mal eben so wiederholen. Wir dürfen nicht vergessen, dass dahinter viel Arbeit steckte. Wir müssen also ganz von vorn beginnen, aber wenn wir in jedem Spiel unser Bestes geben, ist alles möglich.

Dein SPIEGEL: Du hast als Profi schon mehr als 1000 Spiele absolviert. Wie lange möchtest du noch weitermachen?

Müller: Das kommt darauf an, wie es mir gesundheitlich geht. Außerdem möchte ich selbst entscheiden, wann Schluss ist – und nicht an einen Punkt kommen, an dem ich darum gebeten werde aufzuhören. Wann genau es so weit ist, weiß ich noch nicht. Nächste Saison werde ich auf jeden Fall noch spielen.

Dein SPIEGEL: Hast du schon eine Idee, was du nach deiner Spieler-Karriere tun möchtest?

Müller: Es wäre natürlich naheliegend, etwas im Eishockey zu machen. Aber ich würde auch gern was Neues ausprobieren. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, Physiotherapeut zu werden. Dann kann ich Menschen helfen, die Schmerzen haben und wieder fit werden wollen. Das ist etwas, womit ich mich gut auskenne.

Dieses Interview erschien in »Dein SPIEGEL« 5/2024.

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